Katarzyna Miszkiel-Deppe
Kurzinformation
Kurzbiografie
Katarzyna Miszkiel-Deppe ist Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen (RIAS). Sie hat langjährige Beratungserfahrung (Jugendamt, Migrationsdienst). Die Sozialarbeitswissenschaftlerin ist Lehrbeauftragte an der Hochschule Hannover und hat in mehreren Projekten mit dem Arbeitsschwerpunkt Antisemitismus und Rassismus mitgearbeitet.
Das Festjahr in Niedersachen im Rückblick
Symposium „Judentum in Niedersachsen – lebendig, wertvoll und bereichernd“
Das Thema
Anlässlich des Festjahres „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ fand auf Einladung des Niedersächsischen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens am 18. Oktober 2021 ab 14 Uhr in der Gedenkstätte Ahlem ein halbtägiges Symposium unter dem Titel „Judentum in Niedersachsen – lebendig, wertvoll und bereichernd“ statt.
Mit Blick auf die derzeitigen Diskussionen um neuere, auf Ab- und Ausgrenzung setzende Entwicklungen in unserer Gesellschaft und deren tiefsitzende Ursachen wurden hier nicht die standardisierten und ritualisierten, sondern neue Ansätze und verschiedene Perspektiven präsentiert und diskutiert. Neben der Vorstellung verschiedener Projekte in Niedersachsen wurde das von Liv Migdal an der Violine und Matan Goldstein an verschiedenen Perkussions-Instrumenten musikalisch umrahmte Symposium mit einem Hauptvortrag von Bestseller-Autor Peter Prange und mit einer lebendigen Podiumsdiskussion zwischen der Journalistin Mirna Funk, der Staatsministerin a.D. und Generalsekretärin des Vereins „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Sylvia Löhrmann, dem Autoren Peter Prange sowie dem Vorsitzenden der WerteInitiative e. V., Dr. Elio Adler, bereichert. Moderiert wurde die Veranstaltung in hochprofessioneller Weise von der NDR-Journalistin Christina von Saß.
Vonseiten des Niedersächsischen Landtags wurde das Symposium begleitet von den Abgeordneten Kerstin Liebelt (SPD) und Jörg Bode (FDP).
In chronologischer Reihenfolge befassten sich die weiteren Vorträge mit den folgenden Themenschwerpunkten:
• „Jüdisches Leben in Niedersachsen – eine Standortbestimmung“
Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen K. d. ö. R., und Katarina Seidler, Vorsitzende des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen K. d. ö. R.
• „Der Schutz jüdischen Lebens als Eckpfeiler niedersächsischer Landespolitik“,
Niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza
• „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ – Vorstellung ausgewählter niedersächsischer Projekte
Dr. Franz Rainer Enste, Niedersächsischer Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens
• Vorstellung besonderer Projekte des Landesdemokratiezentrums:
a) „Gewalt, Ausgrenzung und das Stereotyp ‚Jude‘ im Fußball“ Dr. Elke Gryglewski, Geschäftsführerin der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
b) „Dokumentation antisemitischer Vorfälle“ Katarzyna Miszkiel-Deppe (RIAS), Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen (RIAS)
c) „Empowerment und Dialogarbeit“ Dr. Rebecca Seidler, Leiterin des Projekts „Jüdisches Leben – Empowerment und Dialogarbeit“ beim Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden Niedersachsen
d) „Was geht mich jüdisches Leben in Deutschland an? – Betrachtungen eines Nachgeborenen“ Peter Prange, Schriftsteller und Buchautor
Die anschließende Podiumsdiskussion stand unter dem Thema „Von Kitt und Rissen – was eine Gesellschaft zusammenhält und was sie spaltet“.
In der Gedenkstätte Ahlem, einer einstigen israelischen Gartenbauschule, später Sammelstelle für Deportationen und heute Erinnerungsort, wurde so mit der Vorstellung innovativer und bedeutender Projekte nicht nur die Arbeit im Kampf gegen Antisemitismus in unserem Bundesland einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, sondern es wurden auch neue Gesprächsebenen beschritten, um der Frage nachzugehen, welcher „Kitt“ unsere Gesellschaft zusammenhält und welche „Risse“ sie spaltet. Das Symposium wurde in voller Länge aufgezeichnet und live im Internet ausgestrahlt. Die Teilnahme an der Veranstaltung war kostenlos.
Das Symposium
Mit einem Shakespeare-Zitat aus dessen Roman „Der Kaufmann von Venedig“, aufgegriffen vom anwesenden Autor Peter Prange in seinem Roman „Winter der Hoffnung“ begrüßte der Landesbeauftragte Franz Rainer Enste mit einem besonderen gedanklichen Impuls die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums.
„If you prick us, don’t we bleed?
If you tickle us, don’t we laugh?
If you poison us, do we not die?“
Der Protagonist des oben bezeichneten Romans leite, so Enste, aus dieser Aussage her, dass Shakespeare hiermit eine ebenso einfache wie grundlegende Einsicht in das Wesen des Menschen in Worte gefasst habe, nämlich, dass jeder Mensch gleich sei. Hierbei spiele es keine Rolle, wo er oder sie herkomme, da alle Geschöpfe auf dieser Welt weinen wie lachen, leben wie sterben. Danach kamen zunächst die jüdischen Landesverbände in Niedersachsen zu Wort, um einen Eindruck des aktuellen jüdischen Lebens in unserem Bundesland zu vermitteln.
Für diese Standortbestimmung dankte Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen K. d. ö. R., zunächst dem Landesbeauftragten für sein besonderes Engagement und richtete dann seinen Blick zurück in die Vergangenheit. Er berichtete davon, dass die Geschichte der Jüd*innrn in Deutschland und in Niedersachsen mit Höhen und Tiefen verbunden sei und wie die Verfolgung der Jüd*innrn im Dritten Reich nicht erst mit 1933 begonnen habe. Dabei beschrieb er die Entwicklung am Beispiel der jüdischen Gemeinde in Hannover, die nach 1945 mit später dann insgesamt drei Gemeinden ein kleines und gemäßigtes Judentum wiederaufgebaut habe.
Fürst wörtlich: „Ein großer Umbruch stellte dann die Ankunft der Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre dar, die dazu führte, dass die Gemeinden einen erheblichen Zuwachs erlebten und sich wieder mehrere bis heute existierende Gemeinden in ganz Niedersachsen gründeten“. Leider musste Herr Fürst jedoch feststellen, dass auch nach so langer Zeit das jüdische Leben heute noch immer von Antisemitismus bedroht werde. Er halte es jedoch nicht für richtig, wenn sich jüdische Gemeinden als Hochsicherheitstrakte vor dem gesellschaftlichen Leben verschlössen. Die Sicherheit könne nur, so betont er eindringlich, durch die Mitmenschen gewährleistet werden, die in einem demokratischen und pluralistischen Deutschland leben wollten.
Katarina Seidler, die Vorsitzende des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen K. d. ö. R. richtete ihren Blick auf die Gegenwart, als sie über das aktuelle Leben der insgesamt sechs Liberalen Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen sprach. Sie stellte dabei fest, dass die Corona-Pandemie auf der einen Seite dazu geführt habe, dass die Gemeindemitglieder trotz des sozialen Abstands durch verschiedene Hilfsaktionen näher zusammengerückt seien, und auf der anderen Seite, dass die Pandemie-Leugner auf Demonstrationen mit antisemitisch konnotierten Parolen das Judentum auf eine neue, perfide Art und Weise ins Visier nähmen. Zu den meist rechts orientierten Demonstranten seien im Mai 2021 dann auch israelfeindliche Protestler gestoßen, die mit antisemitischen Aussagen und dem Verbrennen von Israel-Flaggen vor niedersächsischen Synagogen entsprechende Straftaten begangen hätten So beschrieb Frau Seidler in ihrer Standortbestimmung eine andere Perspektive auf das Thema der Sicherheit für jüdische Gemeinden und brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass auch in Niedersachsen baldmöglichst entsprechende finanzielle Mittel zur Erhöhung der Sicherheitsstandards in den Gemeinden zur Verfügung stehen sollten. Weiter fügte sie hinzu, dass das Festjahr zu 1700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland auch viele positive und wertvolle Akzente gesetzt habe und so das jüdische Leben facettenreich und lebendig in zahlreichen Veranstaltungen habe präsentiert werden können. Zum Schluss betonte sie hierbei die gute Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Justizministerium sowie insbesondere mit dem Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, aber auch mit anderen Kirchen oder den Dialog mit der Türkischen Gemeinde in Niedersachsen. Zudem weitete Frau Seidler den Blick auf ganz Deutschland und berichtete von der Einführung eines Militärrabbiners oder verschiedenen Entwicklungen in der Ausbildung und Forschung im Jahr 2021.
Danach gewährte die Niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza einen Einblick in die Maßnahmen und Aktivitäten ihres Hauses im Kampf gegen Antisemitismus. Neben der Einrichtung des Amtes des Landesbeauftragten erwähnte sie hierbei zahlreiche Projekte, die allesamt verdeutlichen sollten, wie insbesondere im Festjahr 2021 das jüdische Leben in unsere Gesellschaft verankert, vor Bedrohungen geschützt sowie als Bereicherung kultureller Vielfalt verstanden werden müsse. Ferner beleuchtete Frau Havliza das Phänomen des Antisemitismus aus juristischer Perspektive, als sie die im Zusammenhang mit dem wieder aufkeimenden Nah-Ost-Konflikt im Mai 2021 begangenen Straftaten in Osnabrück, Göttingen und Hannover beschrieb oder die Verschwörungsideologien sowie die antisemitischen Stereotype, welche gerade im digitalen Raum viel Auftrieb gewonnen haben, erwähnte. Antisemitische Taten, so betonte es die Ministerin, seien auf das Schärfste zu verurteilen und müssten mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden. Hierzu bediene sich das Justizministerium der Prävention sowie der Repression. Havliza weiter: „Zu den präventiven Maßnahmen zählen unter anderem die vom Landes-Demokratiezentrum geförderten Projekte zum Empowerment jüdischer Gemeindemitglieder, zur Prävention von Antisemitismus im Breitensport Fußball, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in Niedersachsen sowie eine Vielzahl an Beratungsangeboten für Opfer und Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Und auch auf die Prävention im Kinder- und Jugendalter geht das Land Niedersachsen mit dem über das Landesprogramm für Demokratie und Menschenrechte geförderten Projekt PARTS ein, welches Akzeptanz, Toleranz und soziale Kompetenz im Grundschulalter fördert.“ Im Bereich der Repression wies Frau Havliza insbesondere auf die im Jahr 2020 eingerichtete Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet Niedersachsen (ZHIN) hin, die als spezialisierte Einheit mit hoher Intensität die Straftaten der bedeutsamen Hasskriminalität bearbeite. Auch strebe die niedersächsische Justiz eine Null-Toleranz-Strategie bei der Strafverfolgung antisemitischer Delikte an, Einstellungen von Ermittlungsverfahren aus Opportunitätsgründen kämen dabei in der Regel nicht in Betracht. Die Ministerin ging weiter auf den in 2021 eingeführten Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung sowie Fortbildungsangebote für angehende Jurist*innen zur Sensibilisierung für das Thema Antisemitismus ein.
Nach einem musikalischen Intermezzo stellte der Landesbeauftragte dann einige Leuchtturmprojekte vor, die in Niedersachsen im Rahmen des Festjahres 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland stattgefunden haben. Er erörterte viele Projekte, die er selbst besucht hatte, und wies auf die unzähligen weiteren Initiativen hin, die auch ohne finanzielle und ideelle Unterstützung umgesetzt worden waren. Wichtige Impulse wurden ebenfalls von den Vertreter*innen der innovativen Projekte gegeben, die sich im Anschluss vorstellten. Dazu zu zählen ist das Projekt „Wer gegen Wen? Gewalt, Ausgrenzung und das Stereotyp ‚Jude‘ im Fußball“, welches von der Geschäftsführerin der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Dr. Elke Gryglewski, dargestellt wurde. Hierbei gehe es darum, Handlungsempfehlungen zur Vorbeugungvon Antisemitismus im Fußball durch historisch-politische Bildungsarbeit zu entwickeln. Um bedarfsorientierte und zielgruppengerechte Bildungsangebote zu erarbeiten, seien Interviews mit Expert*innen auf verschiedenen Ebenen des organisierten Fußballs in Niedersachsen geführt worden. Aber auch Verbände, Profi-Vereine, Fanprojekte und Fan-Initiativen seien ebenso wie Amateurvereine oder die Fachwelt sowie die Zivilgesellschaft in der Untersuchung berücksichtigt worden. Gryglewski wörtlich: „In 2021 wurde das Projekt nun in die Praxis implementiert und hat eine besonders positive Resonanz erfahren. Elf gewonnene Praxispartner, darunter Amateurvereine wie auch professionelle Verbände, zeigen, dass die Notwendigkeit der Präventionsarbeit gegen Antisemitismus erkannt wurde“. Zum Schluss brachte Frau Dr. Gryglewski ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass das Projekt auch in Zukunft finanziell gesichert und somit in der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten institutionalisiert werden könne.
Danach stellte die Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen (RIAS), Katarzyna Miszkiel-Deppe, die vier Säulen der wichtigen Arbeit der Dokumentationsstelle, die von der Amadeu-Antonio-Stiftung getragen wird, vor. Hierzu zähle das Erfassen und das Monitoring von antisemitischen Vorfällen im Land Niedersachsen, die Netzwerkbildung und Pflege von Kontakten, die Verweisberatung sowie die Präventions- und Bildungsarbeit über und gegen Antisemitismus. Strafrechtlich relevante und nicht relevante Vorfälle würden hierbei nach einer Verifizierung wissenschaftlich analysiert und kategorisiert, um in eine Datenbank aufgenommen zu werden. Die Kategorisierung folge bundesweit einheitlichen Standards, damit die Vorfälle transparent und vergleichbar seien. Frau Miszkiel-Deppe konnte hierbei von Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu persönlichen Angriffen berichten. Zudem stellte sie fest, dass im Jahr 2021 zwei Schwerpunkte auszumachen seien: zum einen die Eskalation des Nah-Ost-Konflikts im Mai und zum anderen die anhaltenden Demonstrationen gegen die Corona-Pandemie. Beide Sachverhalte führten zu einer Erhöhung antisemitischer Vorfälle auch in unserem Bundesland. Die Leiterin der RIAS Niedersachsen betonte zudem, dass sich ein repräsentatives Meldeverhalten dieser Vorfälle erfahrungsgemäß erst nach fünf Jahren einstelle. So bleibe es Aufgabe der Dokumentationsstelle, das Dunkelfeld weiter aufzuhellen, Antisemitismus aus Sicht der Betroffenen zu dokumentieren und damit für die nichtjüdische Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen.
Das letzte niedersächsische Projekt, welches auf dem Symposium vorgestellt wurde, trägt den Titel „Jüdisches Leben – Empowerment und Dialogarbeit“ und wird vom Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden Niedersachsen seit dem Frühjahr 2020 durchgeführt. Dr. Rebecca Seidler, Leiterin des Projekts, erklärte bei der Vorstellung, dass Erfahrungsberichte und Studien in den liberalen Gemeinden in Niedersachsen immer wieder deutlich machten, dass eine Vielzahl an Gemeindemitgliedern aufgrund des zunehmenden Antisemitismus und lauter werdender Diskriminierung ein großes Gefühl von Unsicherheit entwickelten. Dieses Gefühl führe häufig zu einem Rückzug aus der nicht jüdischen Welt und damit zu einem Rückgang an gesellschaftlicher Teilhabe, aber auch zu einer Unsichtbarmachung jüdischen Lebens, wenn etwa aus Angst vor Anfeindungen dem Kollegium nicht erzählt werde, dass man jüdisch sei. Das Projekt des Landesverbands habe sich zum Ziel gesetzt, diese zwei entstehenden getrennten Lebenswelten wieder miteinander zu verbinden, um so der weiteren Marginalisierung des Judentums in Deutschland und dem Aufkommen von Vorurteilen entgegenzuwirken. Hierfür bediene sich das Projekt mehrerer Bausteine. Dazu zähle zunächst das Empowerment von Jüd*innen, welche Diskriminierungen und Verunsicherungen erlebt hätten, um sie mit Hilfe von gezielten Bildungs- und Beratungsangeboten darin zu stärken, eigene Handlungsstrategien zu entwickeln. So könnten sie in ihrer jüdischen Identität gefestigt werden, um den Mut und auch die Bereitschaft aufzubringen, in den Dialog zu treten sowie ihr jüdisches Leben nach außen hin zu vertreten. In Workshops würden kommunikative und pädagogische Fähigkeiten geschult, um selbstbewusst über das Jüdischsein reden zu können. Der zweite Baustein sei die Dialogarbeit, welche vor allem dem Entstehen von Antisemitismus durch offene Gesprächsrunden, Synagogenbesuche und Fortbildungen vorbeugen solle. Die eigentlich so wichtige persönliche Begegnung im Rahmen dieses Bausteins habe aufgrund der Corona-Pandemie leider weitestgehend eingeschränkt werden müssen. Dennoch konnte Dr. Seidler ein positives Zwischenfazit ziehen und berichtete, dass das Projekt nicht nur fortgeführt werde, sondern auch eine Erweiterung auf gezielte Angebote nur für Frauen stattfinden solle.
Nach einer kurzen Pause folgte zunächst ein weiterer musikalischer Beitrag des Musikerduos Liv Migdal und Matan Goldstein. Die mehrfach prämierte Geigerin, die sonst auf den Bühnen großer Häuser dieser Welt zu Hause ist, und der Perkussionist widmeten sich gemeinsam der gesamten Bandbreite jüdischer Musik. So schöpften sie aus dem Fundus orientalischer Stilelemente und verknüpften diese mit europäischen Musikstrukturen sowie mit jüdischen Volksmelodien. Auf dem Symposium präsentierten die beiden Musiker vor allem die Komposition „Tikkun“ des Berliner Künstlers Max Doehlemann von 2020, welche eigens für die Musiker komponiert wurde. Tikkun bedeutet Läuterung, Verbesserung einer nicht perfekten Welt als eine immerwährende Aufgabe eines jeden Menschen.
Einer der Höhepunkte folgte mit dem Hauptvortrag von Autor und Schriftsteller Peter Prange. Geboren 1955, promovierte Prange zunächst mit einer Arbeit zur Philosophie und Sittengeschichte der Aufklärung. Nach seinem Durchbruch als Romanautor mit „Das Bernstein-Amulett“ (für die ARD als Zweiteiler verfilmt) folgten die historischen Romane seiner Weltenbauer-Dekalogie (u. a. „Die Principessa“, „Himmelsdiebe“, „Die Rose der Welt“, „Die Götter der Dona Garcia“), in denen er tausend Jahre europäische Geschichte in epochemachenden Ereignissen erzählt. 2016 erschien sein Deutschland-Roman „Unsere wunderbaren Jahre“, die Geschichte der Bundesrepublik vom ersten bis zum letzten Tag der D-Mark, die ihn dank der ARD-Verfilmung einem breiten Publikum bekannt machte. 2018/19 folgte die Geschichte „Eine Familie in Deutschland“, welche als deutsche Jahrhundert-Tragödie von der „Machtergreifung“ 1933 bis zur Kapitulation 1945 in zwei Bänden erzählt. Auch im Ausland hat Peter Prange sich einen Namen gemacht. Übersetzt in 24 Sprachen, haben seine Bücher inzwischen eine internationale Gesamtauflage von über 3 Millionen Exemplaren erreicht. Zudem wurde sein Sachbuch „WERTE“, ein Reiseführer durch die abendländische Kulturgeschichte, für den „Europe Book Prize“ nominiert.
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Quellennachweis:
RIAS Niedersachsen (zuletzt eingesehen am 02.02.2023)
„… Jahresbericht ... Jüdisches Leben in Niedersachsen - lebendig, wertvoll und bereichernd“. Niedersächsischer Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz Jüdischen Lebens, Hannover, 2021. GBV
Autorenschaft:
N. Wimmers, M. Beschoten
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